Aktuelle Publikation: Post-COVID bei Kindern und Erwachsenen
14. November 2022
COVID-Patient:innen sind drei Monate nach ihrer Infektion deutlich anfälliger für eine Vielzahl von Erkrankungen. Eine große kontrollierte Kohortenstudie in Zusammenarbeit mit Krankenkassen, dem Robert Koch-Institut und der TU Dresden hat gezeigt, dass nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendliche potenziell von Post-COVID betroffen sind. Bei Erwachsenen werden mindestens drei Monate nach der COVID-Diagnose noch vermehrt Geschmacksstörungen, Fieber, Husten und Atembeschwerden dokumentiert. Unwohlsein und rasche Erschöpfung, Husten, Schmerzen im Hals- und Brustbereich sowie Angststörungen und Depressionen zählen hingegen bei Kindern zu den am stärksten mit COVID-19 assoziierten und dokumentierten Symptomen und Erkrankungen.
Die Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift PLOS Medicine veröffentlicht.
Das Universitätsklinikum Dresden/Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV) hat zusammen mit dem InGef und den Krankenkassen AOK Bayern – Die Gesundheitskasse, AOK PLUS Sachsen und Thüringen, DAK-Gesundheit und der BARMER eine der ersten großen kontrollierten Kohortenstudien zu Post-COVID durchgeführt. Unterstützung erhielt die Studie unter anderem vom Robert Koch-Institut.
In der Studie wurden die Abrechnungsdaten von ca. 38 Millionen gesetzlich Versicherten der Jahre 2019 und 2020 ausgewertet. Dabei konnten mehr als 150.000 Personen mit labormedizinisch nachgewiesener COVID-19-Erkrankung im ersten Halbjahr 2020 beobachtet werden, darunter fast 12.000 Kinder und Jugendliche. Für jede infizierte Person wurden fünf weitere nichtinfizierte Versicherte in die Studie eingeschlossen, die hinsichtlich Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen vergleichbar waren. Die Beobachtung der COVID-Patient:innen und ihrer Kontrollpersonen erfolgte jeweils über den gleichen Zeitraum, sodass äußere Einflüsse, wie ein Lockdown, beide Gruppen gleichermaßen beeinflussten. Es wurden die Häufigkeiten von 96 vorab festgelegten Symptomen und Erkrankungen verglichen, die mindestens drei Monate nach Infektions- bzw. Einschlussdatum neu dokumentiert wurden.
Die Studie zeigt deutlich, dass bei COVID-Patient:innen die untersuchten gesundheitlichen Einschränkungen auch nach drei Monaten noch häufiger dokumentiert wurden. In der Literatur wird dieser Zustand als Post-COVID beschrieben, da auch noch lange nach der durchlebten SARS-CoV-2-Infektion Krankheitssymptome und gesundheitliche Einschränkungen fortbestehen oder sogar neu hinzukommen. Dies zeigte sich bei einer Vielzahl von dokumentierten Diagnosen, die sowohl physische als auch psychische Erkrankungen sowie unterschiedliche Organsysteme und Symptomkomplexe betrafen. Erwachsene Infizierte hatten eine um 33 Prozent erhöhte Diagnoserate im Vergleich zu Nicht-Infizierten. Eine Häufung wurde vor allem bei Geschmacks- und Geruchsverlust, Fieber und Atemnot gefunden.
Eine neue Erkenntnis ist, dass auch Kinder und Jugendliche in einer ähnlichen Weise von Post-COVID betroffen sind. Die Häufigkeit der neu dokumentierten Diagnosen bei Kindern und Jugendlichen mit COVID-19 lag um ca. 30 Prozent höher als bei Kindern ohne COVID-19-Diagnose.
Besonders psychische Probleme, wie Angststörungen und Depressionen, traten bei Kindern und Jugendlichen mindestens drei Monate nach einer SARS-CoV-2-Infektion häufiger auf als bei Gleichaltrigen im gleichen Beobachtungszeitraum. Hinzu kamen Unwohlsein und rasche Erschöpfung, Husten und Schmerzen im Hals- und Brustbereich. Gleichwohl zeigte sich, dass Kinder und Jugendliche insgesamt seltener an Post-COVID-Symptomen leiden. So war die Diagnoserate mit 464 je 1.000 Personenjahren bei Kindern und Jugendlichen deutlich niedriger als die Rate von 616 je 1.000 Personenjahren bei Erwachsenen.
Trotz der deutlichen Hinweise, dass Post-COVID in allen Altersgruppen eine Rolle spielt, kann eine solche Studie keinen kausalen Zusammenhang zu Post-COVID herstellen. Da es sich bei einer SARS-CoV-2-Infektion nicht um eine zufällige und für die behandelnden Ärzte verblindete Information handelt, ist nicht auszuschließen, dass COVID-Patient:innen engmaschiger als andere Menschen nachbeobachtet werden. Möglicherweise werden hierbei ansonsten ähnliche Erkrankungsbilder häufiger erkannt. Dennoch sollte die Erkenntnis, dass Post-COVID bei Kindern und Jugendlichen eine gewichtige Rolle spielen kann, in der öffentlichen Diskussion berücksichtigt werden. Bei politischen Entscheidungen über Präventionsmaßnahmen darf Post-COVID deshalb nicht unbeachtet bleiben.
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