Geburtshilfe und Hebammenversorgung

Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett gehören zu den häufigsten Behandlungsanlässen in Deutschland. Rechnet man Fehlgeburten und Schwangerschaftsabbrüche hinzu, dann sind etwa 1 Million Frauen im Jahr betroffen. Dabei ist die Versorgung rund um die Geburt der einzige Bereich, in dem ganz überwiegend Gesunde betreut werden. Das Nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“, das 2017 vom BMG veröffentlicht wurde, trägt dem mit einem konsequent gesundheitsfördernden Ansatz Rechnung. Es geht von den Bedarfen der Frauen und ihrer Kinder aus und adressiert sektorübergreifend den gesamten Betreuungsbogen.

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Versicherte haben rund um die Geburt nach § 24d SGB V Anspruch auf ärztliche Versorgung und auf Hebammenhilfe und können die Versorgung frei wählen. Die Hebammen sind die Expertinnen und Experten für die physiologische Schwangerschaft und Geburt, die Frauenärztinnen und -ärzte fokussieren aufgrund ihrer Ausbildung mehr auf Risiken, Komplikationen, Begleiterkrankungen und deren Behandlung. In Deutschland dominiert derzeit die ärztliche Schwangerenvorsorge und der Blick auf mögliche Risiken. Dies wird zunehmend kritisch hinterfragt, weil der Risikofokus Interventionskaskaden in Gang setzen kann, die nicht nur unnötig sind, sondern auch schaden können.

Vor dem Hintergrund hoher Interventionsraten während der Geburt bilden sich seit einigen Jahren auf kommunaler sowie auf Landes- und Bundesebene Bündnisse zur Förderung der physiologischen Geburt. Dass es ein Umdenken braucht, ist auch in der Politik angekommen. Dies zeigt sich daran, dass die Umsetzung des auf die Förderung der physiologischen Geburt ausgerichteten Nationalen Gesundheitsziels ein erklärtes Ziel im aktuellen Koalitationsvertrag der Bundesregierung ist. Die Frauen und ihre Fähigkeit zu Gebären sollen im Sinne des Empowermentgedankens möglichst umfassend, evidenzbasiert und bedarfsgerecht unterstützt werden.

Den Hebammen wird dabei eine wichtige Rolle zugeschrieben. Internationale Studien zeigen, dass eine kontinuierliche Hebammenbetreuung zu einem besseren Outcome unter der Geburt beiträgt. Die aufsuchende Wochenbetreuung, die in Deutschland im internationalen Vergleich einzigartig ist, ist eine Vorbehaltstätigkeit der Hebammen, so dass nur diese Berufsgruppe den gesamten Betreuungsbogen von der Schwangerschaft bis zum ersten Lebensjahr des Kindes sektorenübergreifend abdecken kann.

Das BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung (bifg) will die dringend notwendige Weiterentwicklung der Versorgung rund um die Geburt durch Analysen der geburtshilflichen Versorgung unterstützen und dabei insbesondere die Hebammen und die von ihnen erbrachten Leistungen in den Blick nehmen.

Zeitliche Trends bei Geburten

Obwohl die meisten Schwangeren und ihre Kinder gesund sind, sind die Interventionsraten unter der Geburt in Deutschland hoch. So kommt etwa ein Drittel der Kinder per Kaiserschnitt zur Welt. Die Kaiserschnittrate hat sich seit 1991 verdoppelt. Zehn Prozent aller Kaiserschnitte in Deutschland werden aufgrund zwingender medizinischer Gründe vorgenommen, 90 Prozent aller Kaiserschnitte in Deutschland gelten aus medizinischen Gründen nicht als zwingend. Da Kaiserschnitte auch mit negativen Folgen für Mutter und Kind verbunden sein können, sollte eine sorgfältige Abwägung von Nutzen und Risiken erfolgen.

Die Grafik zeigt die Anzahl der Geburten, den Geburtsmodus, das Bundesland und das Betreuungsverhältnis in der Hebammenversorgung.

Regionale Verteilung der Kaiserschnittrate

In der geburtshilflichen Versorgung gibt es deutliche regionale Unterschiede. So unterscheiden sich z.B. die Kaiserschnittraten insbesondere in den west- und ostdeutschen Bundesländern deutlich. Diese regionalen Differenzen weisen auf einen unterschiedlichen Umgang mit Schwangerschaft und Geburt hin.

 

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Regionale Verteilung im Versorgungsverhältnis der Hebammen unter der Geburt

Die S3 Leitlinie „Physiologische Geburt am Termin“ empfiehlt eine Eins-zu-eins-Betreuung durch eine Hebamme während der Geburt. Wie wahrscheinlich eine solche Versorgung ist, hängt stark von den jeweiligen Strukturen ab. Im außerklinischen Setting und wenn die Frau mit einer Begleit-Beleghebamme ins Krankenhaus geht, liegt stets eine Eins-zu-eins-Betreuung vor. Findet die Geburt im Krankenhaus mit einer freiberuflich tätigen Dienst-Beleghebamme statt, soll diese maximal zwei Versicherte gleichzeitig betreuen. Im Krankenhaus angestellte Hebammen betreuen nicht selten mehr als zwei oder drei Frauen gleichzeitig, was jedoch aus Abrechnungsdaten nicht darstellbar ist. 

Die Hebammenarbeit im Belegsystem ist regional sehr unterschiedlich: So sind in Bayern und im Saarland in den Krankenhäusern weit überdurchschnittlich viele Dienst-Beleghebammen tätig.